Bernapark Arealzeitung

9 8 Arealzeitung Sonderausgabe zur Ortsplanungsrevision – Mai 2022 Architektur — Heinz Brügger «ALTBAUTENWEITER­ ZUVERWENDEN, SCHONT RESSOURCEN» Heinz Brügger, Sie schreiben in der Würdi- gung der Vision Bernapark Deisswil, dass dem bestehenden Werkareal ein gewisser Charme und eine Atmosphäre fehle, damit Menschen sich gerne hier aufhalten. In den Workshopverfahren habe man nun aber eine Lösung gefunden, welche sogar die industrielle Vergangenheit be- wahrt. Wie soll das gelingen? Die Grösse des Areals und die ehemals industrielle Nutzung erzeugen heute einen spröden Charme. Damit im Areal auch ein Wohngefühl entsteht, braucht es viele subtile Gestaltungsmassnahmen. Insbesondere das Konzept der Landschaftsarchi- tekten mit der Differenzierung der Gestaltung hilft mit, unverwechselbare Orte und individuelle Ad- ressen zu schaffen. Die angedachte Nutzungsviel- falt ist eine der Stärken der Arealentwicklung. Sofern die Vision umgesetzt wird, soll eine zwingend notwendige Vielzahl unter- schiedlicher Wohnungen entstehen. Wie kann man sich das vorstellen? Von der bescheidenen «Bude» bis zur Luxus-Suite? Je nach Lage, Besonnung und Aussicht entstehen sehr unterschiedliche Wohnungen, welche unter- schiedliche Bevölkerungsschichten anziehen wer- den. Insgesamt wächst eine kleine funktionierende Stadt imDorf heran. Die soziale Durchmischung ist wichtig und wird als Stärke beurteilt. Das Planerteam der Aebi & Vincent Architekten SIA AG vereinigt viel Architekturwissen und -erfahrung. Zur Beurteilung der Arbeit und als Inputgeber für dieWeiter- entwicklung in denWorkshopverfahren wurden mehrere externe Fachpersonen beigezogen, so auch der diplo- mierte Architekt Heinz Brügger. Seit mehr als 20 Jahren leitet er das Büro brügger architekten ag. Brügger konnte seine grosse Erfahrung mit Bauten von öffentli- chem Interesse mit gemischten Nutzungen einbringen. Besonders interessant klingen die Woh- nungen in den ursprünglich geplanten Hochhäusern. Denn die Hochhäuser sollten als experimentelle, innovative Wohnungs- bauten entwickelt werden. Können Sie das näher erläutern? Das Architektur-Team hat innovative Vorschläge für das Wohnen in höheren Häusern ausgearbei- tet. Die Konstruktionsweise in Holz und die Ge- staltung von grünen Fassaden sind wegleitend. Die nutzungsmässige Verschränkung von Arbei- ten im Gebäudesockel und Wohnen im Turm mit der guten Fernsicht ermöglichen neue Wohn- und Arbeitsformen. Aufgrund der Rückmeldung des Gemein- derates von Stettlen wurde der Bereich mit den Hochhäusern in einem zweiten Workshopverfahren im 2022 überarbeitet. Hat dadurch das Projekt gewonnen oder verloren? Mit der Weiterbearbeitung wurde das Projekt mehr zu einem grossen Ganzen entwickelt. Die komplementäre Haltung von transformiertem Industrieareal und neuen eigenständigen Hoch- bauten entfällt nun. Bezüglich der Vielfältigkeit des gesamten Wohnungsangebots bedauere ich per- sönlich die Rückmeldung. In Ihrer Würdigung beschreiben Sie die Nachhaltigkeit des Projekts. Welche nach- haltigen Massnahmen sind zu erwarten? Im Grundsatz ist jedes Projekt, welches Altbauten weiterverwendet, ein Gewinn, weil dadurch Res- sourcen geschont werden und weniger CO2 frei- gesetzt wird. Durch die geschickte Planung der Landschaftsarchitekten wird grüne Vegetation in die heute versiegelten Oberflächen integriert. Beim Projekt Bernapark sollen die Themen Ener- gie, Mobilität und Wasserhaushalt vorbildlich ge- plant und umgesetzt werden. Aussenraum — Toni Weber «IM BERNAPARK IST VIEL NATUR VORGESEHEN» Toni Weber, wenn man heute den Berna- park betrachtet, sieht das Industrieareal noch etwas nach «Beton-Wüste» aus. Soll sich das mit Verwirklichung der Vision Bernapark Deisswil ändern? Diese «Beton-Wüste», die ehemalige Kartonfabrik, ist ein wunderbarer Zeuge früherer Industrialisie- rung, welche sich einst im ganzen Worblental ent- wickelte. Der heutige Bernapark ist allerdings mit Abstand das grösste Überbleibsel dieser faszinie- renden Industriegeschichte. Seit Jahren transfor- miert sich nun inhaltlich das Areal zu einem urba- nen Gebilde mit unterschiedlichen Nutzungen wie Wohnen, Schule, Gewerbe, Dienstleistungen, Frei- zeit, etc. Diese Transformationen widerspiegeln sich in den Fassaden insbesondere durch grosszü- gige Befensterungen. Neu soll dieWorble westsei- tig des Areals offen und naturnah geführt werden. Begleitet wird sie durch Ufergehölze, welche die Westfassade dereinst optisch gliedern wird. Was bezweckt man mit der Aussenraum- gestaltung? Soll es einfach schön aussehen oder steckt mehr dahinter? Es gibt Aussenräume innerhalb, aber auch ausser- halb der «Mauern» zu gestalten. Die Freiräume innerhalb sind Gassen, Passagen und viele Höfe, welche in ihren Ausgestaltungen durch die zukünf- tigen und vorherrschenden Nutzungen geprägt sein werden. Die Gestaltungen sollen mehrheitlich mit den Bewohnerinnen und Bewohnern und den Nutzenden erfolgen. Dabei darf das heutige Ge- heimnisvolle nicht zerstört, sondern soll miteinbe- Toni Weber, Mitinhaber der w+s Landschaftsarchitekten AG, wurde in denWorkshopverfahren beigezogen, um ein besonderes Augenmerk auf die Gestaltung der Aussenräume zu legen. Mit seiner Expertise konnte er wichtige Argumente für ein gutes Mikroklima mit angeneh- mer Atmosphäre einbringen. Eine geschickte Aussenraumgestaltung soll zudem die, wie es Landschaftsarchitekt Weber nennt, Schönheit und Romantik der einzigartigen Industriebrache unterstreichen. zogen werden. Insofern bleiben die Ausgestaltun- gen der Höfe, den Nutzungen entsprechend, eher zurückhaltend. Sie strahlen aber mit ihren warmen, lichtdurchströmten und schattigen Bereichen eine angenehme Atmosphäre mit hoher Aufenthalts- qualität aus. Weiter sind thematisch zwei unter- schiedliche Hauptverbindungen vorgegeben: eine «Grüne Achse» und eine «Wasserachse». Letztere thematisiert die Nutzung einstiger Wasserkraft gestalterisch mit einem Wasserkanal. Dieses Ele- ment wird eine grosse Anziehungskraft ausüben und eine spezielle Spiel- und Wohlfühlatmosphä- re vermitteln. Die «Grüne Achse» wiederum wird geprägt sein durch Blumen, Kräuter, Sträucher, Bäume, und die Schlingpflanzen an Pergolen und Fassaden werdenmit ihrer natürlichenWildheit die Schönheit und Romantik dieser einmaligen Anlage unterstreichen. Wie wirkt sich die Umsetzung der Vision eigentlich auf den Aussenraum des ehe- maligen Fabrikareals aus, insbesondere auf das Bleichequartier, welches direkt angrenzt? Was haben die Bewohnerinnen und Bewohner dort zur erwarten? Ausserhalb des Areals wird gemäss der Vision im westlichen Bereich die Worble wieder offen und naturnah geführt. Der Bach mit seinen Uferge- hölzen fliesst demnach weiter längs dem Indus- trieareal Schwandi und gibt der Anlage neu eine Art landschaftlichen Rahmen. Im Osten bildet der grüne und wie bisher unbebaute Hang die Grenze. Am Rande der erhöhten Terrasse des Bleichequar- tiers soll ein Spazierweg, gesäumt von einer Baum- reihe, Richtung Norden führen. Der Weitblick über die begrünten Dächer des Areals bleibt bestehen, auch wenn vereinzelte Aufbauten erfolgen. Mehr Natur und Pflanzen im Bernapark wären sicher schön, aber ist das überhaupt möglich – welche natürlichen Elemente können auf einem Industrieareal wachsen und gedeihen? Es ist viel Natur mit Bäumen, Sträuchern und Grä- sern vorgesehen, welche mit einer entsprechenden Grundlage problemlos aufwachsen können. Pio- nierpflanzen, also Erstbesiedler sind anspruchslos und gedeihen in Betonritzen, in Nischen und kie- sigen Böden. Solche Spontanvegetationen, dazu gehört auch die Wildrose, sind erwünscht, sind also zuzulassen, passen zum Industrieareal und helfen schöne, romantische Atmosphären für die Höfe zu schaffen. Auch werden zusammen mit demWasser, den einheimischen und klimaverträglichen Pflan- zen die Themen der Ökologie, der Biodiversität und des Klimas aufgenommen und umgesetzt.

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