Bernapark Arealzeitung

4 Bernapark Arealzeitung Nr. 1 — Herbst 2021 WIE ALLES BEGANN Mit diesen Worten schloss Ulrich Joerg, Gründer der Kartonfabrik Deisswil, seineMemoiren. Der ge- lernte Schlosser und Mechaniker erlebte vom ers- ten Traum einer eigenen Fabrik über die Planung bis zur Realisierung und umfangreichen Produkti- on viele Höhen und Tiefen. Für Joerg galt es immer wieder, «unerwartete und riesige Schwierigkeiten zu überwinden, die jeden anderen wohl zugrunde gerichtet hätten», kommentierte der «Bund» die Anstrengungen des Unternehmers im Januar 1931. Die Realisierung seines Traums begann 1876 mit dem Erwerb der alten «Käpslifabrik» in Deisswil, welche zu jener Zeit im Wesentlichen aus einem Gebäude bestand, das eher einem Bauernhaus denn einer Fabrik glich. Zudem fehlte Ulrich Joerg eine Maschine zur Herstellung von Karton, und seine finanzielle Lage war alles andere als rosig. Um seine Verdienstmöglichkeiten zu erweitern, nahm er neben seiner Anstellung als Mechaniker den Posten des Posthalters in Worblaufen an. Jo- erg arbeitete damals 18 Stunden pro Tag. Immer- hin brachte er so genügend Geld zusammen, um selber seine erste kleine Pappmaschine bauen zu können. «Ich habe mir nachher oft gesagt, dass es eine Dummheit war, aus nichts undmit nichts eine Papp- fabrik errichten zu wollen. […] Man kann sich kaum vorstellen, welche Ausdauer und Energie es mich kostete, da ich das meiste selbst herstellen muss- te», hielt der Jungunternehmer später in seinen Er- innerungen fest. Der Karton war von guter Qualität und fand bald einmal reissenden Absatz, was den Direktor der Papierfabrik Worblaufen zur Aussage veranlasst haben soll: «Joerg, was zum Teufel machen Sie auch für Pappendeckel in Deisswil? Wenn man in die Stadt kommt, so wird von nichts anderemmehr gesprochen als von Ihren Pappdeckeln!» Trotz erfolgreicher Produktion sah sich Joerg mit grossen Herausforderungen konfrontiert. Auf dem Schweizer Markt wuchs die Konkurrenz, und auch der Wettbewerb mit ausländischen Unternehmen verschärfte sich. Schwierig blieb nach wie vor die fi- nanzielle Lage des Betriebs. Als der Kredit bei den Banken ausgeschöpft war, musste der Fabrikant bei sogenannten «Wucherern» anklopfen. Dort betrug die Verzinsung 4% für drei Monate, was pro Jahr 16% ausmachte. Um elektrischen Strom für die Produktion be- ziehen zu können, korrigierte Joerg mit Hilfe von Sträflingen den Bachlauf der Worble, sodass das alte Wasserrad durch eine Turbine ersetzt werden konnte. Dies reichte zwar für eine gewisse Zeit aus, mit der Verbesserung der Produktionsabläufe und demAusbau der Produktionskapazitäten stiess die Stromversorgung aber bald an ihre Grenzen. Um das Problem zu lösen, kaufte Joerg für 2000 Fran- ken, welche er von Geldgebern erhielt, eine kleine, 6 PS starkeDampfmaschine samt Dampfkessel und Kamin, die er später durch eine 20-PS-Dampfma- schine ersetzte. Die damit verbundene Produk- tionserweiterung brachte ihn nach und nach aus den finanziellen Schwierigkeiten. Gleichwohl es kam regelmässig zu Rückschlägen. Innerhalb von 16 Jahren waren Joergs Fabrikanla- gen zweimal von einemBrand betroffen. Der Unter- nehmer liess sich auch von solchen Katastrophen nicht zurückbinden. Er verstand es immer wieder, Schwierigkeiten zu überwinden und für scheinbar unlösbare Probleme Lösungen zu finden. Im Alter von beinahe 81 Jahren verstarb Ulrich Jo- erg am 22. Januar 1931. In Deisswil stand mit Sohn Albert, Schwiegertochter Lina und mit Schwieger- sohn Hans Winzenried die nächste Generation be- reit, umdie Geschicke der Kartonfabrik in die Hand zu nehmen. Der Aufstieg unter der 2. Generation konnte beginnen. Geschichte «Die Kartonfabrik ist der Beweis, dass man durch Überlegung, Suchen und Handeln selbst etwas Rechtes nach eigener Idee zustande bringen kann und man sich nicht nur auf das stützen soll, was andere sagen! Ich glaube mit Recht sagen zu können: Durch Arbeit und Kampf zum Ziel!» Mehr zur Geschichte in der Deisswiler Chronik Dies ist nur ein kurzer Ausschnitt aus der Deisswiler Chronik, welche von Dr. Heinz Hofmann, Verwaltungsrat der Berna- park AG sowie Nachkomme der Joerg-Dy- nastie, verfasst wurde. Die Chronik kann zu Bürozeiten kostenlos im Verwaltungs- gebäude des Bernaparks bezogen werden. Bitte melden Sie sich vorgängig unter info@bernapark.ch . Ulrich Joerg, 1928

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